Meditation und Zeit

Im Alltag sind wir oft eingebunden in die Zeit. Wir müssen Termine einhalten, zu bestimmter Zeit hier oder dort sein. Oder wir müssen etwas in einer bestimmten Zeit erledigt haben, kommen unter Zeitdruck, wenn etwas noch nicht fertig ist, was längst schon hätte abgeschlossen sein sollen.

Manchmal ist das Leben wie ein Kampf gegen die Zeit. Die Zeit fließt unaufhaltsam und unerbittlich. Die Zeit macht uns Stress, lässt Hektik entstehen.

Manchmal hat man auch Langeweile. Die Zeit scheint nicht zu vergehen. Oder die Zeit, in der man sich schlecht fühlt, will nicht enden.

Meditation ist ein Ausstieg aus dem Laufrad der Zeit. Für die Zeit der Meditation soll Zeit keine Rolle spielen. Es ist wichtig, sich von Gedanken der Zeit frei zu machen. Jetzt hier sein, zu spüren, ich bin, gerade jetzt. Kein "Was wird gleich sein?" und auch kein "Was war gerade noch?". Im Jetzt sein, ohne Gedanken an gestern und morgen, an vorher und nachher. Präsenz - jetzt, hier!

Und trotzdem müssen wir das Nachher irgendwie im Blickfeld haben. Wer vor der Arbeit meditiert, muss rechtzeitig aufbrechen. Gewisse zeitliche Strukturen müssen eingehalten werden.

Auch wenn wir uns in der Meditation von Gedanken über die Zeit lösen sollten, ist die Zeitspanne der Meditation nicht unwichtig. Es kann gut sein, eine gewisse gleichbleibende Zeitspanne zu meditieren, anstatt jeder Meditation eine beliebige Länge zu geben. Das kann hilfreich für die Meditation sein, schafft sozusagen einen soliden Rahmen.

So ein Rahmen kann manchmal auch helfen, standhaft zu sein gegen Widerstände. Es macht einen Unterschied, ob man eine Meditation beendet, weil man keine Lust mehr hat, irgendwas in uns drängt, oder ob ein Signal im Außen das Ende der Meditation einleutet.

Manchmal kann man das als ganz schön unbarmherzig empfinden, man hat keine Lust mehr und muss nun warten, bis da etwas im Außen einen Befreiungsschlag macht.

Warten - da haben wir schon wieder einen Gedanken, der sich um die Zeit dreht. Wann kommt endlich der Gong? Wann ist die Meditation endlich beendet? Wir wollen heraus aus dem, was gerade ist, sind nicht mehr im Hier und Jetzt.

Warten heißt, nicht mehr im Hier und Jetzt sein zu wollen. Doch gerade diese Übung - im Hier und Jetzt zu bleiben, trotz Widerstände - kann sehr sinnvoll sein. Meditation ist ja gerade das Durchbrechen der emotionalen Versklavung. Dabeibleiben, trotz Gefühle, die gerade sind. Gefühle wahrnehmen, anstatt handeln zu müssen. Das befreit. Das macht standhaft und stark.

Wenn man selbst dafür verantwortlich ist, sich um die Zeit zu kümmern, zu entscheiden, wann die Zeit der Meditation um ist, können sich schnell viele Gedanken einschleichen, die sich um die Zeit drehen: "Ist es jetzt schon genug? Oder sollte ich noch einen Moment? Ach nein, für heute reicht es! Nein, jetzt erst recht länger!" Ich habe es öfters erlebt, dass mich Gedanken um die Zeit ausgiebig beschäftigt haben.

Meditation ist, loslassen und alle Zeit der Welt zu haben. Es ist eine Insel im Alltag, wo Zeit keine Rolle mehr spielen soll. Ein zeitloser Freiraum. Jedoch eingebettet, in eine zeitliche Struktur. Damit ist es ähnlich, wie mit dem Schlaf. Für einen gesunden Schlaf muss man loslassen können, von Gedanken über die Zeit. Sonst kann man nicht richtig schlafen und wacht vielleicht mehrfach auf, um zu schauen, ob die Zeit, die mir bleibt, nicht schon rum ist. Der Schlaf wird oberflächlich, man kann nicht tief loslassen, sich hineinfallen lassen in die Welt der Träume.

Das paradoxe an Meditationsuhren ist, dass sie der Zeit einerseits eine Wichtigkeit geben, andererseits aber genau dazu da sind, dass wir die Zeit in der Meditation vergessen können. Sie eröffnen ein Zeitfenster, in dem Zeit unwichtig wird.

Es ist wie im Tao te king:

Dreißig Speichen umringen die Nabe,
wo nichts ist, liegt ihr Sinn.

Aus Ton formt der Töpfer den Topf,
wo er hohl ist, liegt sein Sinn.

Seiendes bringt Gewinn,
Nichtseiendes Sinn.